Rede von Bundesminister Cem Özdemir zur Eröffnung der 14. Agrarministerkonferenz im Rahmen des GFFA
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
es ist mir eine große Freude, Sie heute zur Agrarministerkonferenz zu begrüßen – dem alljährlichen politischen Höhepunkt des Global Forum for Food and Agriculture – dem GFFA.
Für mich ist dies eine Premiere und es erfüllt mich mit Stolz, als deutscher Bundeslandwirtschaftsminister Teil dieser internationalen Gemeinschaft zu sein. Eine enge internationale Zusammenarbeit der Agrarministerinnen und Agrarminister ist mir ein großes Anliegen. Denn wir stehen global vor großen Herausforderungen, die wir nur gemeinsam lösen können.
Allen voran die globale Klimakrise. Sie führt zu Dürren, Stürmen und Überschwemmungen – weltweit. Aktuell droht in Ostafrika wegen der anhaltenden Dürre die schlimmste Hungersnot seit 35 Jahren. Die weltweit explodierenden Kosten für Betriebsmittel, wie Düngemittel und Saatgut, treffen viele Landwirtinnen und Landwirte hart. Die Tierhalter haben in einigen Ländern mit Tierseuchen, wie der Afrikanischen Schweinepest zu kämpfen. Hinzu kommen die Folgen der COVID-19-Pandemie. Dies alles macht es schwerer, das wichtige Ziel, eine Welt ohne Hunger bis zum Jahr 2030 zu erreichen und die weiteren Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 umzusetzen. Durch den UN Food Systems Summit 2021 wurden daher noch einmal wichtige Impulse für nachhaltige Ernährungssysteme gesetzt. Jetzt geht es darum, gemeinsam unseren Zielen Taten folgen zu lassen.
Deshalb ist es ein wichtiges Zeichen, dass sich das 14. GFFA der Rolle von Land und Böden für die Sicherung des Rechts auf Nahrung gewidmet hat. Boden – das klingt erstmal nach etwas ganz Selbstverständlichem. Wenn Sie heute in einem Berliner Einkaufszentrum spontan jemanden fragen würden, ob er heute schon an den Boden gedacht hat, würden Sie sicherlich verwunderte Blicke erhalten. Es sei denn natürlich, Sie würden auf jemanden aus der Landwirtschaft treffen. Denn Boden ist für die meisten Menschen etwas, das natürlich da ist, worum man sich nicht kümmern oder sorgen muss.
In der deutschen Sprache gibt es aber auch die Redewendung "Jemand den Boden unter den Füßen wegziehen". Was nichts anderes heißt, als jemandem die Basis, die Grundlagen, zu nehmen. Im Leben brauchen wir aber Boden unter den Füßen. Und gesunde Böden sind Grundlage für jede Landwirtschaft. Die nachhaltige Nutzung unserer Böden ist ein Schlüsselelement, um die Klimakrise in Grenzen zu halten und die Artenvielfalt zu erhalten. Mit Bodenschutz und Humusaufbau können wir dazu beitragen, die Klimakrise einzudämmen und die Anpassung an den Klimawandel zu verbessern.
Gleichzeitig müssen wir verhindern, dass unsere Böden weiter degradieren. Weltweit sind ein Fünftel der Landflächen degradiert. Das betrifft über 3,2 Milliarden Menschen weltweit. Hier brauchen wir innovative Lösungen und langfristige Investitionen, um die Böden so wiederherzustellen, dass sie ihre wichtigen Funktionen für Mensch, Klima und Natur erfüllen. Die weltweite Land-Degradations-Neutralität bis 2030 ist deshalb weiter unser ambitioniertes Ziel. Durch die Versiegelung im Rahmen des Siedlungsbaus und von Infrastrukturmaßnahmen gehen rund um den Globus viele Agrarflächen und wertvolle Ökosysteme verloren. Weltweit sind das jährlich 10 Millionen Hektar fruchtbare Ackerfläche. Die Versiegelung muss reduziert und - wo möglich - rückgängig gemacht werden.
Dazu kommt der Erhalt und der Schutz der Bodengesundheit, der Bodenfruchtbarkeit und der Bodenbiodiversität. Dafür brauchen wir eine nachhaltige Boden- und Landbewirtschaftung. Indem zum Beispiel die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß reduziert werden. Düngemittel nachhaltiger eingesetzt und mehr Bodendaten ermittelt werden.
Was aber essenziell ist: Der faire Zugang zu Land und der Schutz von Landnutzungsrechten. Wo noch nicht vorhanden, müssen Staaten unterstützt werden, Regeln für den Erwerb und die Nutzung von Land zu etablieren. Denn in vielen Ländern sehen wir, dass Land von Investoren aufgekauft wird, die nicht aus der Landwirtschaft kommen. Dieses Land kann dann nicht mehr von Bäuerinnen und Bauern bewirtschaftet werden. Oft kann die junge Generation die hohen Bodenpreise nicht mehr aus dem Ertrag finanzieren.
Erst am vergangenen Samstag bin ich von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu aufgefordert und darin bestärkt worden, mich gegen diese Konzentration von Landflächen und gegen Bodenspekulationen einzusetzen. Ich will das gerne tun, gemeinsam mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn landwirtschaftliche Nutzflächen sollen zuallererst die Menschen ernähren – heute aber auch morgen und übermorgen und dazu müssen sie nachhaltig bewirtschaftet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist unsere gemeinsame Aufgabe und diese Aufgabe ist groß! All das gerade Beschriebene sind notwendige Voraussetzungen dafür, dass unser wertvolles Ökosystem Boden erhalten bleibt und Land bewirtschaftet werden kann. Es ist selbstverständlich, dass alle Maßnahmen zum Schutz unserer Böden immer standortangepasst sein müssen. Es gibt keine „One Size Fits All“-Lösung. Aber die Bedrohung von Land und Boden ist ein globales Problem – und es ist wichtig, dass wir uns als internationale Gemeinschaft der Agrarministerinnen und Agrarminister auf deren Schutz einigen.
Die Maßnahmen aber, von denen viele in den vergangenen Tagen in den zahlreichen Veranstaltungen des GFFA präsentiert wurden und die Sie zum Teil in Ihren Videobotschaften vorgestellt haben– die müssen lokal implementiert werden. In der deutschen Sprache gibt es noch eine weitere Redewendung: "Etwas den Boden bereiten" – also die Grundlagen legen, den Anfang machen – dazu trägt hoffentlich diese Konferenz bei.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das allen gelingen kann! Dafür setze ich mich ein und freue mich auf unsere Zusammenarbeit!
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